Inter* – Gesellschaftliche Unsichtbarkeit überwinden

Am 14. März 2018 äußert sich der VfGH in seinem Prüfungsbeschluss, dass es gegen den grundrechtlichen Schutz der Privatsphäre durch Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoßeen werden könnte, wenn das Geschlecht zwingend als weiblich oder männlich anzugeben ist. Er hat somit eine amtswegige Prüfung des Personenstandsgesetzes eingeleitet, die das Geschlecht als Teil der allgemeinen Personenstandsdaten festschreibt.

Eine positive Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs in der Klage von Alex Jürgen* wäre nicht nur rechtlich ein riesiger Erfolg, sondern auch wichtig für die gesellschaftliche Sichtbarkeit von Menschen, deren Geschlechtsidentität nicht „männlich“ oder „weiblich“ ist. Für diese Menschen geht es um Respekt und Wertschätzung im Alltag, im Beruf, in der Schule, in sozialen Situationen, im öffentlichen sowie im privaten Umfeld. Denn oft sind Menschen, die aus den klassischen Geschlechts-Kategorien fallen, mit Unwissen, Ablehnung, Zurechtweisung (z.B. am Gang zur Toilette) oder sogar mit körperlicher Gewalt konfrontiert. Es braucht einen dritten Geschlechtseintrag und viele weitere Maßnahmen auf gesellschaftlicher Ebene, damit intergeschlechtliche Menschen Isolation, Ängste, Schamgefühl und gesellschaftliche Unsichtbarkeit überwinden können.

Die Frage stellt sich: Wer entscheidet über die Zuordnung zum dritten Geschlecht? Die Eltern? Medizinische Diagnosen? Psychologische Gutachten? Der Gesetzgeber wird darüber zu entscheiden haben, ob die Geschlechtsregistrierung abgeschafft wird oder ob es einen dritten Geschlechtseintrag geben soll. Die für uns wichtigste Grundlage der dritten Option ist Selbstbestimmung! Dadruch müssten Gesetz und Verwaltungsvorschrift den Geschlechtseintrag auf die Selbstauskunft stützen. Die Festlegung des Mindestalters für eine solche Selbstauskunft kann z.B. an die gängigen Altersstufen für Mündigkeit geknüpft werden, also z.B. mit 14 oder 16 oder 18 Jahren. Damit es nicht erneut zu Diskriminierung kommt, muss dieser Selbstbestimmungsanspruch nicht nur für intergeschlechtliche oder non-binäre Menschen, sondern für alle Menschen gelten. Konsequent wäre es daher, bei allen Menschen auf den Geschlechtseintrag bei Geburt zu verzichten und die Möglichkeit zu geben, diesen wenn gewünscht später nach Selbstaussage eintragen zu lassen.

Wenn sich der Gesetzgeber gegen die Selbstauskunft entscheidet, dann wird er vermutlich Regelungen einführen, die z.B. eine medizinische Dokumentation der Intergeschlechtlichkeit verlangen. Eine weitere Möglichkeit wäre, angelehnt an die Vorgehensweise bei Trans*-Personen, dass psychologische Gutachten vorgelegt werden müssen, die die Dauerhaftigkeit einer nonbinären Geschlechtsidentität feststellen.

Keine dieser Lösungen ist mit dem Selbstbestimmungsrecht und der Gleichbehandlung aller Menschen, sowie dem Schutz vor Diskriminierung auf Grundlage von Geschlecht vereinbar. Viele intergeschlechtliche Menschen sind traumatisiert von der medizinischen Gewalt die ihnen angetan wurde, von falschen Behandlungen, dem nicht Wahr- und Ernstnehmen ihres Seins und der oft massiven Tabuisierung in der Familie. Den dritten Geschlechtseintrag wieder auf medizinische oder psychiatrische Gutachten zu stützen, wäre daher eine Reproduktion des Erlebten.

Wir hoffen auch, dass durch diese Anerkennung von Rechts wegen, nicht konsensuelle Operationen an intergeschlechtlichen Kindern und Menschen ein Ende nehmen wird. Also Eingriffe, die nicht wegen eines tatsächlichen Notfalls, sondern aus kosmetischen Gründen und um intergeschlechtliche Körper der Norm anzupassen durchgeführt werden. Doch auch hierfür Bedarf es eines Gesetzes.

 

Ein Gastbeitrag von Luan Pertl von VIMÖ (Verein intergeschlechtlicher Menschen Österreich).