PRIDE: Deine Zukunft ist auch meine Zukunft.

Der Beitrag von Mario Lindner im PRIDE-Magazin (März 2018).

Österreich feiert Geburtstag. Unsere Republik wird heuer 100 Jahre alt. Gerade in Zeiten wie diesen schadet es daher nicht, zum Jubiläum einmal inne zu halten und nachzudenken, was wir aus dem letzten Jahrhundert lernen können.

Schauen wir uns einmal die Zeit an, in der wir gerade leben. Seit Dezember hat Österreich eine neue Regierung. Schwarz-Blau hat sich in den ersten Monaten im Amt vor allem durch massiven Sozialabbau und unzählige große und kleine Skandale ausgezeichnet – von der Abschaffung von Jobprogrammen für ältere Arbeitslose, über die Kürzung von Integrationsmaßnahmen (während gleichzeitig ein Kopftuchverbot gefordert wird), bis zur ganzen Causa um den Verfassungsschutz. All diese Aktionen lassen erahnen, wie es mit dem gesellschaftlichen Fortschritt in unserem Land in den kommenden Jahren weitergehen könnte … im wahrscheinlichsten Fall Stillstand, im schlimmsten Fall im Rückwärtsgang. Für alle, denen ein weltoffenes, modernes, buntes Österreich ein Anliegen ist, MUSS das ein Weckruf sein. Wir haben schon viel zu oft erlebt, dass die Freiheitsrechte, die über Jahrzehnte erkämpft wurden, nicht in Stein gemeißelt sind. Und genau deshalb sollten wir alle – die LGBTIQ Community genauso wie viele andere Gruppen – diesen Moment nutzen, um zu überlegen, was unser aller Weg vorwärts ist. In was für einem Land wollen wir leben? Wie stellen wir uns unsere Zukunft vor?

Gerade erst hat das neue Frauenvolksbegehren schon in der ersten Phase schon fast 250.000 Unterschriften gesammelt. Nehmen wir das doch zum Anlass, einmal auf die Gleichberechtigung von Frauen in unserem Land zu schauen: Vor 100 Jahren, am Ende des 1. Weltkriegs, hatten Frauen noch nicht einmal das Recht zu wählen. 1919 durften sie zum ersten Mal gleichberechtigt zu den Urnen schreiten. Und erst in den 1970er-Jahren konnten von der Zivilgesellschaft und den progressiven Regierungen der Zeit zentrale Schritte für mehr Gleichberechtigung erkämpft werden – die Fristenregelung, das Ende der Geschlechtertrennung in Schulen, die Schaffung des Gleichbehandlungsgesetzes und vieles mehr. Erst 1989 wurde die Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe gestellt. Und trotz all dieser Erfolge und den vielen, die seit dem noch dazukamen, haben wir auch in diesem Bereich noch viel zu viel zu tun.

Gerade deshalb zeigt das Frauenvolksbegehren uns vor, wie wir auch in Zukunft schlagkräftig für mehr Offenheit und Vielfalt in Österreich kämpfen können: Nämlich indem wir über den Tellerrand unserer eigenen Interessen hinausschauen … und damit erkennen, dass die Probleme, mit denen wir selbst zu kämpfen haben, in Wahrheit auch viele, viele andere betreffen. Höchstwahrscheinlich sogar Menschen und Gruppen, von denen wir es uns nie gedacht hätten. Denn dieses Volksbegehren hat es geschafft zu zeigen, dass eine gerechtere, fairere Gesellschaft besser für ALLE von uns ist – egal ob Mann oder Frau, schwul, lesbisch oder hetero. Mit Forderungen wie der fairen Verteilung von Arbeit, dem Aufbrechen von Rollenbildern und der Förderung von Vielfalt zeigt es uns den Weg zu einer modernen, offenen Zukunft für alle Menschen in Österreich. Und genau so geschieht gesellschaftlicher Fortschritt: Wenn neue neue Allianzen entstehen und Menschen miteinander arbeiten, die sich sonst wahrscheinlich kaum begegnet wären … wenn sie verstehen, dass „meine Zukunft“ auch von „deiner Zukunft“ abhängt.