SoHo Bundeskonferenz 2021 // Menschenrechte sind eine soziale Frage!

In kaum einem Bereich unserer Gesellschaft gab es in den letzten Jahrzehnten so massive Fortschritte, wie im Bereich der LGBTIQ-Community! Vor genau 50 Jahren wurde gleichgeschlechtliche Liebe in Österreich entkriminalisiert – heute haben wir die Ehe für ALLE, alternative Geschlechtseinträge, diskriminierungsfreie Landesgesetze und den Schutz vor Diskriminierung zumindest in der Arbeitswelt.

Doch trotz aller Fortschritte erleben wir weiterhin Diskriminierung – in der Arbeitswelt, in Schulen, im Privatleben und in vielen anderen Bereichen. Wir erleben, dass Schritte hin zu mehr Gleichstellung und Akzeptanz vor allem von Gerichten und nicht von der Politik gesetzt wurden. Und wir erleben eine neue Welle von Hass und Gewalt, nicht nur in Europa, sondern auch in Österreich.

Währenddessen stellt sich aber auch für die politische und zivilgesellschaftliche LGBTIQ-Community die Frage: Wo geht es hin? Darauf muss die Antwort der SoHo klar sein: Eine Zukunft der Gleichstellung, der Vielfalt und der Menschenrechte kann es nur in einer Gesellschaft geben, die Gerechtigkeit und Solidarität in jedem Bereich lebt – die Ungleichbehandlung und Diskriminierung in jedem Bereich den Kampf ansagt!

Mehr denn je müssen wir uns daher gegen jede Art der Politik stellen, die versucht den Kampf für gesellschaftliche Emanzipation von einzelnen Gruppen gegen sozialpolitische Forderungen auszuspielen. Das bedeutet für uns nicht nur breitere Vernetzung und mehr Engagement in Fragen von Arbeit und Wirtschaft, sondern auch die Fokussierung auf den Grundsatz, dass Menschenrechte immer eine soziale Frage sind!

Wir werden die Gleichberechtigung der LGBTIQ-Community genauso wie jene von Migrant*innen, Frauen und vielen anderen Gruppen nicht erreichen, solange wir in einem System leben, dass Spaltung und Ungleichbehandlung, ungerechte Vermögensverteilung und die Konzentration von Macht in der Hand einiger weniger (Männer) vorantreibt. Als Sozialist*innen lehnen wir jede Form von Individualisierung ab, die soziale und wirtschaftliche Ungerechtigkeit ignoriert – stattdessen wollen wir diskriminierte Gruppen und Stimmen stärken, sie aber auch hinter einem gemeinsamen politischen Projekt der radikalen Solidarität vereinen!

In den kommenden zwei Jahren wird unsere Arbeit – gemäß dem Leitsatz „Menschenrechte sind eine soziale Frage“ – sich daher auf folgende Ziele fokussieren:

Vollen Schutz garantieren

Nicht nur die LGBTIQ-Community, sondern auch viele andere Gruppen erleben bis heute legale, staatlich erlaubte Arten der Diskriminierung. Wir sagen diesem strukturellen Versagen der Politik den Kampf an: Voller Schutz vor jeder Form der Diskriminierung – sowohl aufgrund der sexuellen Orientierung & Geschlechtsidentität, als auch als jedem anderen Grund – muss daher sowohl in Gesetzen, als auch in der Verfassung verankert werden. Anti-Diskriminierung als Basis eines selbstbestimmten und stolzen Lebens für ALLE muss das Ziel unseres Staates werden!

Community stärken

Die Monate der Pandemie haben uns gezeigt, wie wichtig die Stärkung von Organisationen und Zivilgesellschaft ist – sie bildet die Basis für jedes Engagement für Akzeptanz und Solidarität. Egal ob in der LGBTIQ-Community oder in der Jugend- und Frauenarbeit, im Kampf gegen toxische Männlichkeit oder Rassismus: Es braucht starke Strukturen und eine starke Zivilgesellschaft, die Veränderung vorantreibt … und genau darin muss unser Staat investieren. Wir kämpfen daher nicht nur für die Aufrechterhaltung, sondern für die Stärkung und finanzielle Absicherung der Zivilgesellschaft!

Hass & Gewalt stoppen

In den vergangenen Monaten erlebt Österreich, genauso wie viele andere EU-Staaten, eine neue Welt von Hass und in vielen Fällen Gewalt. LGBTIQ-Personen, Personen mit Migrations- oder Fluchterfahrung, Muslim*innen, Jüd*innen und insbesondere Frauen werden immer häufiger Opfer von Angriffen – die Politik sieht dem bisher fast tatenlos zu. Solange Menschen Angst haben müssen, offen und sichtbar zu leben, ist es unsere Aufgabe, auf jeder Ebene gegen diese strukturellen Entwicklungen vorzugehen. Wir kämpfen für einen Nationalen Aktionsplan gegen Diskriminierung und Gewalt, genauso wie für den Aufbau flächendeckender Melde- und Anlaufstellen, sowie Sensibilisierungsinitiativen auf allen Ebenen der staatlichen Verwaltung!

Echte Selbstbestimmung sicherstellen

Selbstbestimmung ist die Grundlage eines sichtbaren Lebens – und genau diese Selbstbestimmung wird immer noch viel zu vielen Menschen in unserer Republik verweigert. Als SoHo haben wir im vergangenen Jahr daher ganz bewusst einen Schwerpunkt auf die Frage von Geschlechtsidentität gelegt. Transidente, intergeschlechtliche und non-binäre Personen leben in der Mitte unserer Gesellschaft und sind Teil der verschiedensten Communities, haben aber bisher nicht das Recht, so anerkannt zu werden, wie sie leben. Egal ob im Bereich des Personenstandes oder der medizinischen Versorgung, ob in der Bildung oder beim gesetzlichen Schutz – wir kämpfen für volle, umfassende Selbstbestimmung für ALLE Menschen in unserem Land!

Gesetzgebung für ALLE

Obwohl die Entkriminalisierung von Homosexualität bereits im Jahr 1971 erfolgte, musste unsere Community noch bis 2002 gegen homophobe Strafgesetze ankämpfen. Die rechtliche Schlechterstellung von LGBTIQ-Personen gehört seitdem war der Vergangenheit an, aber die österreichische Gesetzgebung ignoriert bis heute die Existenz vieler Gruppen. Egal ob’s um den fehlenden Diskriminierungsschutz bei der Blutspende geht oder um ein Familienrecht, das moderne Familienformen völlig ausblendet, ob’s um die fehlende Ahndung von Hassverbrechen geht oder um eine Bildungspolitik, die die Vielfalt einer neuen Generation einfach ausblendet – wir kämpfen für eine Gesetzgebung die für wirklich ALLE Menschen funktioniert und niemanden ausblendet, ignoriert oder unsichtbar macht!